OT: the artist, FRA, BEL 2011 R, B: Michel Hazanavicius
Es gibt Multiplexkinos. Steril (nicht unbedingt von der Sauberkeit her, schon klar), gesichtslos. Rein auf den finanziellen Erfolg und das Durchschleusen von Hunderschaften an zahlungsfreudigen Gästen ausgelegt.
Wahre Filmfreunde begeben sich selten und nur unter Druck in diese Äquivalente der modernen Massentierhalung und lassen sich dementsprechend auch nicht mit der vorgesetzten Massenware abspeisen. Der geneigte Filmfreund, der sich selbst als Connaisseur, ja Liebhaber der Filmkunst versteht begibt sich nicht in diesen Schmutz zum Pöbel. Er kleidet sich in seinen edelsten Rollkragenpullover, rückt die Hornbrille (ich entdecke da ein Muster) zurecht und zwingt den Partner seiner Wahl zur Begleitung – irgendwer muß sich ja im Anschluß (wenn es wenigstens der Anschluß wäre) die philosophisch entrückten Deutungskonstrukte anhören und honorieren. Man applaudiert sich schließlich nicht selbst.
Derart gerüstet wagt man also den Weg – mit umweltschonenden öffentlichen Verkehrsmitteln versteht sich – in das kommunale Programmkino.
Hier wird Filmkunst noch zelebriert. Hier lächeln einem die Filmsternchen besserer Zeiten von den Wänden entgegen. Als Kino noch bewundert wurde. Als der wohlige Geruch von Zigarren, Whiskey und Zelluloid noch die Luft erfüllte. Hier wird Film geliebt. Hier ist der Cineast zu Hause. Hier bangt der Besitzer jeden Monat aufs Neue um seine Existenz. Es ist so romantisch.
Versteht sich ja von selbst, daß man es hier mit den besseren Menschen der Gesellschaft zu tun bekommt. Hier gibt es keine gegen die Kinosessellehne tretenden Pennäler. Keine popcornknuspernden Störenfriede. Keine mit dem Mobiltelephon spielenden Jugendlichen. Niemand der im Kino flüstert. So schön.
In so einer Welt würde ich gerne leben. Ich möchte einen mutigen und erstaunlich hochgelobten Film in all seiner Größe, seiner Genialität genießen. Ich möchte so gerne in meinen Seh- und Hörgewohnheiten herausgefordert werden. Ganz den Bildern, der Musik folgend möchte ich in der Leinwand verloren gehen und mich in einem ganz eigenen Leben wiederfinden.
Tja, das kann ich dann wohl nur noch zu Hause. Oder vielleicht doch eher wieder in einem Multiplexkino. Da kann ich in all der geschaffenen Isolation nämlich auch mal meinen Nachbarn zurechtweisen, wenn er laufend in den Film quatscht, ohne gleich eine Diskussion über mich ergehen lassen zu müssen. Der klassische Multiplexgast schafft das schließlich kaum.
Was ist denn mit den Menschen los? Müssen sie in einen Film rennen, der sie objektiv betrachtet überhaupt nicht interessiert, bloß weil er so viele Preise abräumt? Nur um dann über den Wurmbefall ihrer Hauskatze – Johanna mit Namen – zu reden? Sogar zu schnarchen und Popcorn über drei Sesselreihen hinweg zu reichen?
Schön, daß sich dann der ein oder andere in seiner Ignoranz wie zum Hohn sogar den Film zu loben traut, den er kaum wirklich verfolgt haben kann.
So nahe an einem Duchovny war ich wirklich noch nie…